Haubitz+Zoche
Resonanz
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RESONANZ
Sand, Binder
Skulptur im Neuen Museum Nürnberg, Ausstellung "Momentum", SZ, 2023
Thomas Heyden
In doppelter Gestalt
Stefanie Zoche empfängt mit ihrer Skulptur Resonanz die Besucherinnen und Besucher des Neuen Museums bereits im Erdgeschoss. Ihre gebogenen Wandsegmente aus Sandbaustein sind bis zu einem Meter achtzig hoch. Sie vermitteln den Eindruck, dass da noch etwas im Werden ist – oder aber bereits wieder zerfällt. Der Titel ist leicht verständlich, denn die Formen antworten auf die umgebende Architektur. Die vier Kreissegmente stehen auf einer sandigen Fläche, die eine taktile, fast samtige Anmutung hat. In ihren Dimensionen und Proportionen beziehen sie sich auf die Wendeltreppe von Volker Staab. Der innere Kreis entspricht dem Treppenauge, das mittlere Kreissegment spiegelt den Durchmesser der oberen Treppenspirale wider, die beiden äußeren Segmente nehmen die Dimensionen der Treppe am unteren Ende auf. Der Blick von oben zeigt: Der Grundriss der Wendeltreppe ist um 90 Grad gedreht, sichtbar an dem inneren Kreissegment, das außermittig platziert ist – eine Tatsache, die man beim Begehen der Wendeltreppe nicht auf den ersten Blick wahrnimmt. Die Schrägen der einzelnen Kreissegmente sind fragmentarisch und lassen in der Seitenansicht Anklänge an die Steigung der Wendeltreppe erkennen – wie ein Echo, das Gestalt angenommen hat.
Die gestreute Sandfläche auf dem Boden verbindet die einzelnen Kreisfragmente. Sie bildet eine Art Sockel, wobei das Zentrum – das Auge – ausgespart bleibt. Komplementär findet es sich als kreisförmige Sandfläche im Auge der Wendeltreppe wieder. Die architektonische Skulptur wird auf diese Weise mit der skulpturalen Architektur verwoben.
Die aus Sand hergestellten Bausteine schaffen durch die Glasfassade hindurch einen Bezug zum Außenraum des Museums, denn Sandstein beherrscht auch am Klarissenplatz die Szenerie – vom Nebengebäude des Neuen Museums bis hin zur historischen Stadtmauer. Ein lebendiges Material in vielfältigen Tönen, wie sie auch in der Skulptur zu sehen sind. Diese Materialität steht in ihrer Farbigkeit und Lebendigkeit in starkem Gegensatz zu der verputzten und weiß gestrichenen Wendeltreppe, die aus Beton gegossen ist. Während die Skulptur eine haptische, sinnliche Oberfläche aufweist, ist die Wendeltreppe hermetisch und kühl. Dabei besteht sie in ihrem Inneren zu rund zwei Dritteln aus Sand und Kies – dies ist uns meist nicht bewusst, da es unsichtbar bleibt. Auf diesen Zusammenhang aufmerksam zu machen, ist ein zentrales Anliegen der Künstlerin. Denn damit verknüpft sich ein ökologisches Problem höchster Brisanz: Die Herstellung von Zement ist für etwa acht Prozent des vom Menschen ausgestoßenen CO2 verantwortlich, rund drei Milliarden Tonnen jährlich. Hinzu kommt, dass die Bauindustrie Sand für die Betonproduktion in solchem Ausmaß verschlingt, dass schon heute Strände und der Meeresboden geplündert werden, regelrecht Sandraub betrieben wird und zukünftig sogar Kriege um Sand vorstellbar werden. Die Folgen für das Ökosystem und den Menschen sind unabsehbar. Dass Sand, den es sprichwörtlich „wie Sand am Meer“ gibt, zur kritischen Ressource wird, liegt an seiner Beschaffenheit: Wüstensand ist für die Betonherstellung wegen seiner feinen Körnung und glatten Oberfläche ungeeignet.
Das alternative Verfahren von Stefanie Zoche, bei dem anstelle von Zement ein biologischer Binder verwendet wird, hat zwei Vorteile: es funktioniert auch mit Wüstensand und erzielt durch den Verzicht von Zement eine CO2-Ersparnis von bis zu siebzig Prozent. In diesem Verfahren entstanden sowohl die großen Bausteine für Resonanz am Fuß der Wendeltreppe als auch die kleinen Steine für Sand Peak City, einer Modellstadt mit fragmentierten Bauten im Ausstellungssaal, die man als eine Archäologie der Zukunft lesen kann.
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RESONANZ
sand, binder
sculpture at Neues Museum Nürnberg, part of the exhibition "Momentum", SZ, 2023
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