Haubitz+Zoche
Text: Schnellkurs Kunst der Gegenwart
Schnellkurs Kunst der Gegenwart
Text: Stephan Trescher
(© beim Autor)
Zwischen Struth und Höfer
Ein weiterer der sogenannten „Becher-Schüler“, also Absolvent der Fotoklasse von Bernd Becher an der Düsseldorfer Akademie, ist neben Struth, Ruff, Höfer und unzähligen anderen, nicht weniger begabten, aber minder populären, Andreas Gursky. Das Vorbild von Bernd und Hilla Becher zeigt sich insbesondere in dem Hang, in Serien zu arbeiten und einer vermeintlichen Nüchternheit in der Bildauffassung. Was die genannten mehr noch verbindet als die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schule, ist wahrscheinlich der Umstand, daß ihre ersten Schritte in die Professionalität mit einer technischen Entwicklung zusammenfallen, die erst die Produktion von Farbfotografien in wandfüllenden Formaten möglich machte. Durch das Ausnutzen dieser technischen Errungenschaft gelang es ihnen mit als ersten, die Fotografie in den Rang der Malerei aufsteigen zu lassen - eine Musealisierung durch Monumentalisierung.
//Kasten marginal Anfang// „Meine Vorliebe für klare Strukturen resultiert aus dem Wunsch oder vielleicht auch der Illusion, auf diese Weise die Übersicht zu behalten und die Welt in den Griff zu bekommen.“ Andreas Gursky // Kasten marginal Ende//
Den riesigen Formaten entspricht bei Gursky der stets distanzierte, oft erhöhte Kamerastandpunkt mit Ausblick auf das große Ganze. Das können auch Außenaufnahmen sein, sind aber in aller Regel Innenräume, seien es nun Supermärkte, Bibliotheken, Börsen- und Plenarsäle oder Konzertarenen. Häufig sind diese Monumentalbilder belebt, aber die Menschen auf ihnen treten nie als Individuen in Erscheinung, immer nur in großen Gruppen, als Ornament der Masse. Das was den Künstler an dieser „extreme(n) Akkumulation von Gegenständen und Menschen“ (Gursky) interessiert, sind offenbar repetitive Strukturen, die entweder in der Architektur bereits angelegt oder eben durch die wimmelnden Menschlein dort hineingebracht werden. In vielen Fällen verstärkt Gursky diese Strukturen durch nachträgliche Spiegelung, Vervielfältigung und andere Formen der Computer-Manipulation. Die daraus resultierende Tendenz zur Vereinheitlichung läßt die Räume manchmal eher flächig als räumlich erscheinen, immer jedoch erhalten sie durch diese technische Glättung ein perfektes Finish.
Auch Shanghai [53] zeigt einen Raum, der durch das Fehlen von Boden und Decke oder begrenzenden Seitenwänden tendenziell unendlich wirkt und in seiner Makellosigkeit fast unwirklich. Durch die ungewohnte, anscheinend kreisförmige Balkonarchitektur und den extremen Weitwinkelblick, der uns jedes Geschoß in einer anderen Perspektive zeigt und den Eindruck einer horizontalen Spiegelung hervorruft, ist die ringförmige gelbe Struktur überhaupt erst auf den zweiten Blick als Innenarchitektur zu erkennen. Beinahe menschenleer ist diese gigantische zylindrische Halle. Die Türen, Flure, ja selbst die Bilder an den Wänden befinden sich in jedem Stockwerk an der gleichen Stelle; nur die eine Ausbuchtung in der Balkonbrüstung, die in jedem Stock versetzt angebracht ist, und die nach oben hin optisch breiter werdenden weißen Lichtbänder rhythmisieren die fast monochrome Monotonie, so daß im Endeffekt der Eindruck einer monumentalen, geradezu einschüchternden Ruhe entsteht. Das hat mit dokumentarischer Nüchternheit wenig und mit dem Hang zu bildlicher Abstraktion eine ganze Menge zu tun: „Im Rückblick sehe ich, daß mein Wunsch zur Abstraktion immer radikaler wird. Kunst sollte nicht einen Rapport von Wirklichkeit liefern, sondern sollte hinter die Dinge blicken.“ (Gursky).
Vollends unwirkliche Räume scheinen wir in den Bildern von Sabine Haubitz und Stefanie Zoche zu betreten, ja man könnte argwöhnen, sie seien nichts als künstlich erzeugte und farblich verfremdete perspektivische Studien. Dabei handelt es sich bei dem streifig strukturierten, ansonsten aber völlig leeren Raum in leuchtenden Blautönen um die Unterwasseraufnahme eines Schwimmbeckens [54]. Was daran, wie an den anderen Bildern der Serie Wasserspiegel, am meisten irritiert, ist die axiale Spiegelung, die hier im Gegensatz zu Gurskys Bild tatsächlich vorhanden ist. Sofern man überhaupt eine Vorstellung von der Unterwasseransicht eines Schwimmbeckens hat, würde man erwarten, daß der Blick durch die Wasseroberfläche nach draußen dringt, daß man also, wie schemenhaft auch immer, eine Welt jenseits des Wassers ausmachen kann, die uns hilft uns zu orientieren, ein Oben und Unten auszumachen. Indem Haubitz und Zoche uns diesen Blick entziehen, scheint der Raum des Wasserbeckens nach oben geschlossen; allenfalls eine leichte Kräuselung läßt die obere Hälfte ab und an als eine an der Unterseite der Wasseroberfläche gespiegelte erkennen. Durch die Markierung der einzelnen Bahnen am Beckenboden gewinnt die fluchtende Perspektive an Dynamik und die räumliche Tiefenwirkung wird geradezu sogartig verstärkt. Was allerdings die Unterwasserbilder der beiden Künstlerinnen besonders suggestiv macht, ist die Wahl ihres Mediums: Der Leuchtkasten. Zu diesem Thema kann man ganze Bücher schreiben - hier muß der knappe Hinweis genügen, daß durch die durchleuchteten Diatransparente eine (im Buchdruck nicht wiederzugebende) völlig andere Wirkung entsteht als bei einem herkömmlichen Fotoabzug auf Papier. In diesem Fall ergänzen sich Medium und Motiv auf geradezu ideale Weise. Die der Lightbox eigene Raumhaltigkeit und die Leuchtkraft der Farben entsprechen diesem von einem ganz anderem als dem normalen Tageslicht durchfluteten Raum des Schwimmbeckens; das den Raum modellierende Licht und die sozusagen wässerige Atmosphäre, das strahlende flüssige Blau scheinen wir mit Händen greifen zu können.
//Kasten marginal Anfang// „Bei Bildern geht es darum, ein Erlebnis, eine Erfahrung oder ein Phänomen auf eine besondere Weise zu beleuchten, auf eine Weise, in der die Ursache des Geschehens nicht genau bestimmt werden kann. Nur in diesem Spiel mit dem Ungewissen ist das, was wir ein Bild nennen, überhaupt möglich.“Jeff Wall // Kasten marginal Ende//
Während in Haubitz/Zoches monochrom blaue Schwimmbeckenräume auch urplötzlich springende Menschen eintauchen können, die den Charakter der leuchtenden Bilder von Grund auf verändern, sind die Räume auf den Fotografien von Candida Höfer prinzipiell menschenleer. Was umso erstaunlicher ist, da sie als Motive stets öffentlich zugängliche Räume wählt, am liebsten Museen und Bibliotheken, aber auch Theater, Universitäten, Kirchen, Wartesäle und Hotels.
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