Haubitz+Zoche
Text: Springer und Wasserspiegel
SPringer und Wasserspiegel
Text: Rupert Pfab
(©beim Autor)
Licht ohne Schatten
Wasserbilder von Haubitz + Zoche
Die ersten Bilder, die mir von Sabine Haubitz und Stefanie Zoche begegneten, waren Unterwasserfotografien von Schwimmbecken, die als weitläufige Lichträume aufgenommen waren. Die Transformation der Wasserräume in lichtdurchflutete Raumkörper erfolgt dabei nicht nur durch die Aufnahmen selbst, sondern wird signifikant durch die Präsentation der Fotos als Leuchtkästen unterstrichen. Da die Wasseroberfläche eines Schwimmbeckens das einfallende Licht in ähnlicher Weise bricht wie das opake Glas eines Leuchtkastens, entspricht die künstlerische Umsetzung dem aufgenommenen Sujet. In den Fotografien entsteht auf diese Weise ein eindringliches Zusammenspiel aus Wasser und Licht. Eine starke Wirkung erzielen die Künstlerinnen aber vor allem durch ihre präzise Beobachtung der aufgesuchten Orte und ihr Verständnis von den physikalischen Eigenschaften von Wasser und Licht.
Es mag zunächst irritieren, dass die Künstlerinnen ausgerechnet an Orten fotografieren, von denen man annimmt, das Licht sei dort besonders schwach, nämlich unter Wasser. Tatsächlich aber ist es dort bei Sonneneinfall außerordentlich hell, auch wenn es diffuser ist als im Freien. Die Belichtungszeiten können extrem kurz gehalten werden und bewegen sich bisweilen im Bereich einer tausendstel Sekunde.
Die Unterwasserräume der Werkgruppe Wasserspiegel vermitteln in ihrer Bewegungslosigkeit eine fast kontemplative Ruhe.
Die fotografische Belichtung als Verdichtung von Zeit, die sich im Sammeln von Licht im Blau der unbewegten Wasserräume abbildet, zeigt klare Spiegelungen an der Unterseite der Wasseroberfläche.
Die Irritation, die die Fotos gleichzeitig evozieren, ist ein wichtiger Aspekt, denn der Betrachter wird gezwungen, sich die dargestellten Räume zu vergegenwärtigen. Die Aufnahmeperspektive bewirkt, dass ein funktionaler Alltagsraum zu einer phantastisch anmutenden architektonischen Situation wird.
Der reale Raum und seine eigene Spiegelung scheinen ineinander überzugehen, da sich die Wasseroberfläche wie ein Spiegel um den gesamten Aufnahmebereich spannt. Der Betrachter wird gewissermaßen in das spiegelnde
Medium eingebunden.
Der Übergang von tatsächlich vorgefundenem Raum zum gespiegelten
Abbild ist hier fließend und überlagert sich bisweilen. Damit sind verschiedene Wahrnehmungs-phänomene angesprochen.
Zahlreiche zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler, die mit Fotografie arbeiten, wenden sich bewusst von einer prozessualen Arbeitsweise ab. Unbelebtheit, Strenge und Präzision kennzeichnen auch die Fotos der Werkgruppe Wasserspiegel von Haubitz + Zoche, allerdings erschöpft sich hierin keineswegs ihr Themenrepertoire, sondern sie beziehen auch Bewegung explizit in ihre Arbeiten ein, wie die Serie der Springer zeigt.
Hier werden Turmspringer beim Eintauchen fotografiert, wobei dem menschlichen Körper und insbesondere den durch die Landung im Wasser erzeugten Formen das Hauptaugenmerk gilt.
Im allgemeinen ist jedem Menschen die physische Erfahrung des Eintauchens in Wasser bekannt.
Die visuelle Erfahrung eines solchen Moments kennt man hingegen kaum, zumal sie wegen der Geschwindigkeit des Sprungs unter der Wahrnehmungsschwelle liegt.
Genau diesen Augenblick mit fotografischen Mitteln sichtbar zu machen, ist zentrales Anliegen der Künstlerinnen. Dabei bedarf es höchster Präzision und Konzentration, um den nur für Sekundenbruchteile andauernden Moment der Transition zwischen Luft und Wasser festzuhalten.
Die Luft, die von den Turmspringern mit unter Wasser genommen wird, bildet überraschend klare Formen, fast geometrische Kegel oder klar gezeichnete Lufthüllen, die sich wie ein Echo um die Körper legen. Dieser Aspekt lässt sich mit bloßem Auge kaum wahrnehmen, da sich diese Formen nach dem Eintauchen sehr schnell in Luftblasen auflösen. Solche Grenzbereiche der Wahrnehmung bilden eine Herausforderung, der sich die beiden Künstlerinnen stellen. Bei der Serie Turmspringer befindet sich die Kamera genau auf der Höhe des Wasserspiegels, so dass Raum über und unter Wasser abgebildet wird. Irritationen entstehen bei der Betrachtung der Fotografien durch die Umkehrung der gewohnten Sichtweise von Wasser. Während Dinge unter Wasser üblicherweise unscharf erscheinen, ist es bei der Serie Turmspringer umgekehrt. Bei den Werkgruppen Springer und Einsprung ist der Kamerastandpunkt mehrere Meter unter Wasser positioniert und die Körper der Springer befinden sich teilweise in einer Art Schwebezustand.
Haubitz + Zoche haben ein altes Thema der Malerei aufgegriffen. Zahlreiche Maler der Moderne – man denke nur an William Turner oder Claude Monet – setzten sich mit den unterschiedlichen Wirkungsweisen und dem Zusammenspiel von Wasser und Licht auseinander.
Haubitz + Zoche haben dieses Thema mit ihrer Fotografie in der zeitgenössischen Kunst neu verankert. Im Gegensatz zu den Naturapologeten etwa des Impressionismus begeben sie sich mit ihren Arbeiten in künstliche Unterwasserräume. Sie inszenieren das Sujet und setzen das tiefe Wasserblau mit fotografischen Mitteln als Farbe ein.
Die konsequente, nach systematischen Regeln konzipierte Arbeitsweise der Künstlerinnen birgt verschiedene Betrachtungs- und Deutungsebenen, denen eine klare Konzeption und eine Strenge in der Ausführung zugrunde liegt, welche sich in mehreren Aspekten manifestiert: neben einem meist symmetrischen Bildaufbau arbeiten sie in Serien, in denen immer eine Fokussierung auf klar formulierte Themenbereiche stattfindet. Die Umsetzung der Aufnahmen als Leuchtkästen unterstützt die intensive Farbigkeit der Fotografien und deren Raumwirkung. Die Künstlerinnen nehmen damit eine einzigartige Position in der zeitgenössischen Fotografie ein, die nie alles offen legt und stets Geheimnisse birgt.
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