Haubitz+Zoche
Text: Vertigo
Vertigo
Text: Katja Assman und Florian Matzner
(©bei den Autoren)
english text below
Sabine Haubitz und Stefanie Zoche arbeiten seit 1998 als Künstlerduo zusammen. In ihren raumgreifenden Installationen und seriellen fotografischen Arbeiten setzen sie sich mit dem öffentlichen Raum und den darin wirkenden inszenatorischen Strategien auseinander. In den letzten Jahren sind zudem ökologische Themenkomplexe wie der Klimawandel und der Umgang mit Ressourcen in den Fokus ihrer Arbeit gerückt.
Haubitz+Zoche zeigen auf der EMSCHERKUNST.2013 eine begehbare Videoskulptur mit dem Titel Vertigo. Unter einer Autobahnbrücke der A 42 neben dem Pumpwerk Alte Emscher in Duisburg-Beeck steht ein auf das Dach gedrehtes Haus – ein absurdes Bild, das man aus Dokumentationen von Hurricanes und Überschwemmungen kennt, wenn einfache Holzhäuser komplett aus ihren Fundamenten gerissen und wie ein Spielzeug zusammen mit Autos, Bäumen usw. von den Wassermassen fortgerissen werden. Beim Betreten des Hauses durch eines der Fenster trifft man auf eine Zweikanal-Videoprojektion, in der das gleiche Haus inmitten einer überfluteten Landschaft zu sehen ist. Unversehens wird der Betrachter selbst zum Bestandteil eines Zusammenhangs, in dem skulpturale Ebene, filmische Darstellung und städtebauliches Umfeld ineinanderwirken. Aufnahmen von im Wasser treibenden Autos und überfluteten Straßenzügen alternieren mit Bildern von zwei Synchronschwimmerinnen, die sich in einer seltsam anmutenden Choreografie unter Wasser bewegen: Die Schwerkraft ist aufgehoben, Oben und Unten verschwimmen miteinander, die Frauenkörper Schwimmerinnen scheinen den Bezug zu ihrer Umgebung verloren zu haben, sie sind versunken in einer anderen Realität.
Ganz bewusst haben Haubitz und Zoche in ihrer Bildsprache auf die Dramatik journalistischer Berichterstattung verzichtet und stattdessen einen ruhigen, hoch ästhetischen Filmduktus verwendet, durch den das Bedrohliche eine unerhörte Faszination erhält. – Nicht von ungefähr denkt man bei dem Titel Vertigo, der eigentlich der medizinische Fachausdruck für Schwindel ist, unversehens an den legendären Thriller von Alfred Hitchcock!
Überschwemmung, Klimawandel, Hochwasserschutz – all diese ökologischen Schlüsselbegriffe der letzten zehn Jahre sind im Ruhrgebiet bereits seit 150 Jahren Realität: Da durch bergbaubedingte Erdabsenkungen eine normale Entwässerung unmöglich geworden war, wurde in Duisburg-Beeck vor annähernd 100 Jahren das Pumpwerk Alte Emscher errichtet, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft sich die Videoskulptur befindet. Zur Zeit seiner Erbauung war es, mit einem Durchmesser von 41 Metern und einer lichten Höhe von knapp 25 Metern, neben der Breslauer Jahrhunderthalle der größte Betonkuppelbau Deutschlands. Heute steht das Pumpwerk zwar unter Denkmalschutz, ist aber nach wie vor voll funktionsfähig und damit Symbol für den Hochwasserschutz im Ruhrgebiet. Haubitz und Zoche haben die Nachbarschaft dieses prominenten geschichtsträchtigen Bauwerks zum Anlass genommen, mit Vertigo auf den globalen Klimawandel hinzuweisen – ein Problem, das in den letzten Jahren immer virulenter geworden ist, letztlich aber die Folge der industriellen Entwicklung seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ist, wie Haubitz und Zoche in ihrem Projektvorschlag formuliert haben: »Vertigo ist als subjektive Reflexion über unseren Umgang mit Medienbildern im Kontext des anthropogenen Klimawandels lesbar.«
Sabine Haubitz and Stefanie Zoche have been working as a team since 1998. Their site-specific installations and photographic series examine the public space and effective staging strategies for it. In recent years they have also focused on ecological themes such as climate change and ways of dealing with resources.
At EMSCHERKUNST.2013 Haubitz+Zoche are showing a walk-in video sculpture titled Vertigo. Beneath the A42 autobahn bridge next to the Alte Emscher pump station in Duisburg-Beeck stands an upside-down house—an absurd image familiar to us from visual documents of hurricanes and floods, when simple wooden houses are entirely wrenched off their foundations and carried off by the water like toys, along with cars, trees, and so forth. When they enter the house through one of the windows visitors encounter a two-channel video projection in which the same house can be seen in the midst of a flooded landscape. Suddenly visitors themselves become part of a context in which the sculptural level, the film presentation, and the urban environment affect each other. Visual recordings of cars floating in water and flooded streets alternate with images of two synchronized swimmers moving in a strange-looking underwater choreography: gravity has been eliminated, above and below are blurred, the swimmers seem to have lost any sort of relation to their surroundings; they are immersed in a different reality.
Haubitz and Zoche have deliberately employed a visual vocabulary that dispenses with the drama of news reports and instead makes use of a quiet, highly aesthetic cinematic style, lending the dangerous a sense of tremendous fascination. It is not by chance that the title Vertigo — the medical word for dizziness — suddenly recalls the legendary thriller by Alfred Hitchcock!
Flooding, climate change, flood protection — all of these key ecological concepts from the last decade have been a reality in the Ruhr District for 150 years. Since ground subsidence caused by mining made normal drainage impossible, the Alte Emscher pump station was erected almost one hundred years ago in Duisburg-Beeck, and the video sculpture is located in its immediate proximity. With a diameter of forty-one meters and clearance of just about twenty-five meters, it was the largest domed structure in Germany at the time it was built, besides the Breslauer Jahrhunderthalle. Today, although the pump station is on the list of historical monuments, it is still completely functional and hence a symbol for flood protection in the Ruhr District. Haubitz and Zoche have taken advantage of the proximity of this prominent historical building to draw attention, with Vertigo, to global climate change — a problem that has become more virulent in recent years, but is also a consequence of the industrial development that has occurred since the late nineteenth century, as Haubitz and Zoche wrote in their project proposal: “As a subjective reflection, Vertigo can be read as the way that we deal with media images in the context of anthropogenic climate change.”
(©with the authors)
JavaScript is turned off.
Please enable JavaScript to view this site properly.